50 Jahre Haus Loreto
Ein Überblick über die Geschichte des Hauses
Burgsteinfurt. Das Haus Loreto bei Leer hat am kommenden Dienstag, dem 6.Mai, einen erinnerungsreichen und bedeutsamen Tag. Es begeht sein 50jähriges Bestehen. Das sei Anlaß genug, einmal stehenzubleiben in der Hast des Tages und Rückblick zu halten auf die Entwicklung des Hauses, von dem unendlich viel Liebe und Güte ausstrahlt. So einsam wie es dort in dem Grün der Tannen liegt, so bewegt und interessant ist auch seine Geschichte. Ein Halbjahrhundert hat das Haus und den Geist, der darin lebt, zu einem Teil dessen gemacht, was wir Heimat nennen. Das ist seine Geschichte: Im Jahre 1853 kaufte der Sanitätsrat Dr. Hoffmann, Burgsteinfurt (Erfinder des Ohrenspiegels), in der Gemeinde Leer, Bauernschaft Haltern, ein Grundstück an. Auf diesem ließ er ein kleines Landhaus, die jetzige Schule, bauen und einen Garten mit Obstbäumen anlegen. Er verpachtete zunächst alles an einen Kötter. Später kaufte er noch mehr hinzu, so daß der ganze Komplex, bestehend aus Ackerland, Kiefernwaldungen und Heide, 113Morgen betrug. Er gab diesem Landgut den Namen "Wilhelmshof" und benutzte es als Sommeraufenthalt. Als seine Kinder heranwuchsen, gründeten sie sich in der Fremde eine Existenz, seine Gattin starb im Jahre 1878. Nur eine Tochter, namens Helene, blieb bei ihm zu Hause. Täglich fuhr er mit ihr zum Wilhelmshof. 1886 starb der Sanitätsrat im Alter von 80 Jahren und vermachte seiner Tochter Helene das ganze Besitztum. Diese Erbschaft brachte Helene in große Verlegenheit; denn heiraten wollte sie nicht, selbst bewirtschaften konnte sie den Betrieb auch nicht, verkaufen wollte sie ihn aus Pietät gegen den Vater ebensowenig. Aber immer wieder zog es sie zum Wilhelmshof hin, sie war eine eifrige Verehrerin der Mutter Gottes und fühlte sich dort ihr besonders nahe. Ein Bildchen von der Immerwährenden Hilfe, das sie aus Rom mitgebracht, hing sie dort im Waldesdickicht versteckt an einem Baumstamm auf und weihte den ganzen Besitz der Gottesmutter. Damit gab sie unbewußt den ersten Anstoß zur Entstehung des Hauses Loreto. Täglich eilte sie nun zu ihrem Bilde hin. Es war im Mai 1889. Unerwartet mußte sie Verwandte nach Bad Kreuznach begleiten und fand keine Zeit mehr, das Bild aus dem Walde zu holen. Einige junge Leute aus Leer fanden während der Jagd im Dickicht das Bild und erzählten davon im Dorf. Viele eilten nun hin, um dort zu beten. Als Fräulein Hoffmann nach acht Wochen zurückkehrte, fand sie das Bild mit Blumen und Kränzen geschmückt. Singend und betend kamen immer neue Scharen von Kindern. Auf besonderen Vorschlag vom H. H. Generalvikar Giese aus Münster, dem es wie vielen anderen schien, daß die Muttergottes hier besonders verehrt werden wolle, ließ sie 1892 eine kleine Kapelle bauen und dort über den Altar das Bild aufhängen. Sie nannte die Kapelle "Marie im Walde". Die Zahl der Pilger stieg immer mehr, und gestiftet Kreuze und Ringe, Kerzen u. an. kündeten von wunderbaren Erhörungen. Neben der Kapelle ließ sie 1897 ein Kreuz und einen Kreuzweg durch den Bildhauer Bawing aus Leer anfertigen. Die Leute drängten nun Frl. Hoffmann, noch eine größere Kapelle bauen zu lassen. Es scheiterte bei ihrer guten Absicht zunächst an finanziellen Schwierigkeiten, die aber durch die großzügige Mithilfe ihres Vetters Hötte bald beseitigt werden konnten. Auch der H. H. Bischof Hermann stimmte ihrer Absicht gerne zu jedoch nur unter der Bedingung, daß dort auch für Hüter des hl. Hauses gesorgt würde. Als in Borghost im Jahre 1897 die Tochter ihrer Cousine starb, hatte diese ihr als Andenken ein Büchlein geschenkt, betitelt; "Das heilige Haus von Nazareth in Loreto" (Italien). Sie fand darin einen genauen Grundriß und Abbildung vom Innern und Äußern des Hauses Loreto, es gefiel ihr so gut, daß sie überlegte, hiernach die Kapelle anzulegen. Sie teilte dem Bischof ihren Plan mit, der davon sehr begeistert war und hinzufügte, daß er selbst einmal im Hause Loreto das hl. Opfer gefeiert habe. Zugleich trug sie sich auch mit dem Gedanken, dort für einige Waisenkinder Unterkunft zu beschaffen, aber ihr Wunsch sollte sich scheinbar nicht erfüllen. Weder die Trappisten noch die Benediktiner in Maria Laach erklärten sich bereit, für diese Zwecke Ordensleute bereitzustellen. Da besuchte sie 1899 eine ihr bekannte Vorsehungsschwester auf der Friedrichsburg in Münster. Waisenhaus unter Vorsehungsschwestern Sie traf dort auch die würdige Generaloberin der Genossenschaft und erzählte ihr von ihrem Vorhaben. Die Generaloberin Berta versprach, diese Angelegenheit mit den übrigen Vorstehern der Genossenschaft zu besprechen. Kurze zeit später kam die Generaloberin nach Burgsteinfurt zu Frl. Hoffmann und erklärte ihr, daß sie mit ihrem Vorschlag gern einverstanden sei, wenn Frl. Hoffmann dafür das Landgut zur Verfügung stelle. Es solle dann dort ein Waisenhaus unter Führung der Vorsehungsschwestern gebaut werden. Sie schlug vor, es Helenenstift zu benennen. Frl. Hoffmann lehnte diesen Namen jedoch ab mit der Begründung, nach dem Willen des hl. Josef, der in ihrer äußersten Not zu ihr gesprochen habe, solle es das "heilige Haus von Nazareth" genannt werden. Durch eine großzügige Spende der Familie Esder, deren Sohn gelobt hatte, ein Waisenhaus bauen zu lassen, wenn seine Eltern noch die goldene Hochzeit erlebten, wurden auch die finanziellen Schwierigkeiten behoben. Offensichtlich spürte man hier das wunderbare Walten der göttlichen Vorsehung. Nun entstand aber eine neue Schwierigkeit, da die preußische Reagierung den Bau des Hauses ablehnte. Durch besondere Fürsprache Se. Eminenz, des Kardinals Kopp, des Onkels der Schwester Clotilde, wurde am 17.November 1900, dem Namenstag der hl. Gertrud, die Frl. Hoffmann besonders verehrte,vom Kaiser die Genehmigung unterzeichnet. So begann der Bau. Am 25.September 1901 wurde im Beisein hoher Gäste feierlich der Grundstein gelegt. Als Frl. Hoffmann nun gefragt wurde, wie das Haus heißen solle, antwortete sie kurz entschlossen: "Haus Loreto". Alle stimmten begeistert zu. Die Urkunde wurde in den rechten Pfeiler des Portals eingesenkt. Kurze Zeit später kam der damalige Weihbischof Graf von Galen eigens nach Loreto, um dieses Haus zu sehen, von der er schon so viel gehört habe. Am 1.April verließ der Pächter den Hof und die ersten Schwestern zogen ein, drei an der Zahl. Sie wohnten zunächst im Landhaus und gingen nach Leer zum Gottesdienst. Am 6.Mai konnten sie in das neue Haus einziehen, am 16.Mai (Juli -handschriftlich geändert) wurde das erste hl. Meßopfer im Haus Loreto gefeiert. Am 1.Oktober 1902 brachte Frl. Hoffmann die ersten drei Waisenkinder. Am 1.Mai wurde auch mit dem Bau der Waldkapelle begonnen. Als die Kapelle fertig war, wurde das Bild von der Immerwährenden Hilfe hineingetragen, es war am 24.April (25.April -handschriftlich geändert) 1904, am Fester des hl. Markus. Das Holz für den Rahmen des Bildes wurde dem Baum entnommen, an dem man das Bild gefunden hatte. Herr Esders erklärte sich bereit, für etwa 15 Waisenkinder die Kosten zu zahlen, die Kinder sollten dann in Leer zur Schule gehen. Die Gemeinde Leer lehnte jedoch ab, da dann ihre Schule zu voll würde. So entschloß man sich also, selbst eine Schule einzurichten in dem bisherigen Landhaus und dazu noch einige Pensionäre und Kinder zu nehmen, um dadurch die Unkosten zu decken. Pensionäre, vorwiegend Lehrerinnen, waren aber nur wenige Jahre da. Die Zahl der Kinder stieg von Jahr zu Jahr. Auch eine Haushaltsschule, die im Jahre 1928 staatlich anerkannt wurde, gliederte man an, so daß die Zahl der Gesamtschülerinnen um diese Zeit etwa 100.120 betrug, die höchstmögliche Zahl, da alle im Hause wohnten. 1914 begann man mit dem Bau eines neuen großen Flügels, der jedoch durch den inzwischen ausgebrochenen Weltkrieg mit manchen Schwierigkeiten verbundne war. Im Oktober 1915 war er fertig. Im untern Teil wurden Räume für die Kinder, wie Eßzimmer, Handarbeitszimmer, Klavierzimmer u. a. eingerichtet. Darüber befindet sich die große Kapelle, die am 10.Oktober durch den H. H. Bischof Johannes feierlich eingeweiht wurde. Am 23.Januar 1931, dem Fester Mariä Vermählung, starb Frl. Hoffmann in der Nacht von Donnerstag auf Freitag im Krankenhaus zu Burgsteinfurt, in jener Nacht also, in der sie allwöchentlich dort ihre nächtliche Anbetung hielt. Loreto Kriegslazarett Inzwischen war der zweite Weltkrieg ausgebrochen. Am 15.April 1940 erhielt Loreto zum ersten Mal Besuch von der Militärbehörde. Loreto wurde als Lazarett vorgesehen, mit Rücksicht auf die vielen Kinder jedoch nur für den äußersten Fall. Am 13.September 1941 wurde die Elementarschule durch die damalige Regierung ohne jegliche Begründung plötzlich geschlossen. Ein wenig später kamen Regierungsvertreter mit dem Plan, das Haus als Ausbildungsstätte für Lehramtskandidaten einzurichten. Sie ließen ihren plan jedoch fallen, da ihnen das Haus hierfür nicht geeignet erschien. Am 30.Juni 1941 wurde das Haus entgültig beschlagnahmt; innerhalb von 24 Stunden mußte es geräumt sein. Die Schwestern, es waren 70, darunter sehr viele alte, durften nach langem hin und her bleiben, mußten aber mit engstem Raum im obersten Stockwerk vorliebnehmen. Den Schwestern wurde die Pflege der Verwundeten übertragen. Am 10.Juli kam der erste Transport von 60 Verwundeten an. 170 Betten waren für Loreto vorgesehen, die Zahl stieg im Laufe der Zeit auf über 250. Das haus war zwar nur für Leichtkranke und Leichtverletzte vorgesehen; es kamen aber mehr und mehr Schwerverwundete und Schwerkranke, so daß auch manche Todesfälle zu beklagen waren. Die meisten verstorbenen Soldaten wurden auf dem kath. bzw. evgl. Friedhof in Burgsteinfurt beigesetzt. Beiden Kirchengemeinden gebührt besondere Anerkennung für die so würdige Bestattung, sie sie bereiteten, sowie die sehr gute Aufwartung der Gräber bis zum heutigen Tage. Tausende von Soldaten fanden in Loreto Unterkunft, und alle waren glich voll des Lobes über die so schöne Aufwartung, die ihnen dort durch die Schwestern zuteil wurde. Diese haben in den Kriegsjahren sehr schwere Opfer bringen müssen, aber die wirkliche Zufriedenheit der Soldaten im Haus war ihnen der schönste Lohn für ihre Mühen und Entbehrungen und gab ihnen immer wieder neue Kraft zu frohem Schaffen. Hauptkrankenhaus und Erholungsheim Mit dem Tag der Besetzung wurde das Lazarett durch eine englische Besatzung, die im Schulgebäude wohnte, bewacht. Eine elfköpfige belgische Besatzung löste sie ab. Diese verließ das haus Anfang Mai. Damit war Haus Loreto aber noch nicht freigegeben, sonder wurde weiterhin beschlagnahmt für kranke Rußlandheimkehrer und für einige alte, kranke Flüchtlinge. Erst am 1.Dezember 1950 wurde das haus endgültig freigegeben, wenngleich die Schwestern sich doch schon bald nach dem Kriege wieder mehr und mehr hier heimisch einrichten konnten. Auch die Haushaltschule mit 15-20 Lehrköchinnen wurde wieder eingerichtet, ferner ein Altersheim mit etwa 10-12 alten Männern aus dem Osten, die hier geruhsam ihre alten Tage verbringen. Da das Krankenhaus der Schwestern auf der Friedrichsburg in Münster während des Krieges bombardiert und ganz zerstört wurde, stellte das Haus Loreto jedes nur verfügbare Plätzchen für kranke und alte Schwestern zur Verfügung, so daß es heute als Hauptkrankenhaus und Erholungsheim der Genossenschaft gilt. Wenn auch die Umgebung des Hauses auf die Besucher wie ein Paradies wirken mag. so weiß das Innere des Hauses um so mehr von schwerem und schwersten Leid, aber auch von stillem, gottergebenen Dulden zum Segen der Menschheit zu künden. In Anbetracht seiner Aufgaben und der vielen Leidenden wird das Haus Loreto darum anläßlich seines 50jährigen Bestehens von äußeren Feierlichkeiten ganz absehen. Es wird in einem feierlichen Gottesdienst morgens um 9Uhr und nachmittags um 15Uhr der göttlichen Vorsehung für ihre wunderbares Walten danken und ihren Segen auf die kommende Zeit herabflehen. Am Tage zuvor werden die sterblichen Überreste von Frl. Hoffmann, der Begründerin dieses Hauses, vom Friedhof in Burgsteinfurt zu dem im Jahre 1946 neu angelegten Schwesternfriedhof in Loreto umgebettet. Dort soll sie einen Ehrenplatz erhalten. Hort der Nächstenliebe Wer einmal Besucher des Hauses Loreto war, ist wieder und wieder erstaunt über jene prachtvolle Gepflegtheit in Haus, Garten und Hof. Er denkt an die Mühen und an den Fleiß, dem das zu danken ist. Stundenlang möchte er auf der Bank sitzen, von der er den beiden Hirschen in ihrem Gehege zuschaut und seine Blicke durch den Vorgarten über die Rhododendren und die Sträucher und das Grün des Rasens hin in das Dunkel des nahen Tannenwaldes schweifen läßt. Die Natur in ihrer Schönheit gab dem Hause Loreto ihr größtes Geschenk und hilft mit dazu, daß den vielen Kranken des Hauses die Quelle der Kraft nicht versiegt, ihre Leiden zu ertragen. - Unser Wunsch ist, das Haus Loreto möge das bleiben, was es immer war: ein Hort der Nächstenliebe. G.M.
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