Ein Gebäude voller Erinnerungen
Die Abrissarbeiten für das Pfarrheim und das Pastorat werden voraussichtlich Mitte Juli beginnen. Das abzureißende Pfarrheim, das Städteplaner Wolters bei einem runden Tisch in Leer als für den Ortsteil Leer prägend bezeichnete, hat eine lange Geschichte.
Das genaue Baudatum konnte nicht festgestellt werden. Professor Dr. Anton Janßen und Arnold Pesch beschreiben es in ihrem Bildband "Horstmar und Leer - ein Bildband zur Erinnerung und Besinnung" und fügen ein Foto mit bei. Auf diesem Bild, das im Jahre 1929 kurz vor dem Umbau entstand, erkennt man ein eingeschossiges Gebäude auf erhöhtem Bruchsteinfundament und einem Drempel mit Rundfenstern am Dachgeschoss. Erst Anfang der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts erhielt es in der Mitte ein Zwerghaus eingesetzt mit Fenstern zum Kirchplatz, um auch im Dachgeschoß einen größeren Teil als Wohnraum nutzen zu können. Bis 1974 hat dieses durch das erhöhte Fundament und den Drempel recht vornehm wirkende Gebäude als Pastorat gedient. Danach zogen die Pfarrer in das soeben errichtete Pastorat ein, das jetzt ebenfalls abgerissen wird und der Kindergartenplanung weichen muss.
Die Leerer Bevölkerung hat zahlreiche Erinnerungen an das Pfarrheim, denn es diente seit 1974 den Vereinen als Versammlungsraum. Susanne Laumann berichtet aus ihren Erinnerungen: Das Pfarrheim war für die Pfarrfeste unentbehrlich, alles wurde dort im Vorfeld geplant, aufgemalt und besprochen. Außerdem fand der Kuchenverkauf der Kfd statt und es gab vernünftige Toiletten. Die Ostereieraktion der Messdiener startete hier mit dem Färben der Eier. Hier war auch Anfang und Ende und Anlaufstelle bei den Sternsingeraktionen. Die Kolpingfamilie, die Lepra-Gruppe, die Kfd und der Altenclub nutzten die Räume für Versammlungen. Jahrelang diente der große Saal als Proberaum für die Blickband und Ersatzprobenraum des Kirchenchores.
Inbegriff für das Pfarrheim in Leer war Ruth Hüsing, bei ihr im Pfarrheim liefen immer alle Fäden zusammen, egal bei welchem kirchlichen Event oder im Pfarrbüro. Susanne Laumann erinnert sich neben den voraufgeführten Begebenheiten an den Akkordeonunterricht mit Alois Feldkamp in der Küche des Pfarrheimes. "Ich glaube, halb Leer hat dort in den 70er und 80er Jahren das Akkordeonspielen gelernt." In Erinnerung geblieben sind ihr auch die zahlreichen Pfarrgemeinderatssitzungen mit Pfarrer Siegmund.
Im Pfarrheim fand auch die Geburtsstunde der damals existierenden CAJ (Christliche Arbeiterjugend) statt. Der Chronist schrieb am 29. März 1979: "Pfarrer Siegmund, Schwestern des Hauses Loreto, viele Erwachsene und noch mehr Kinder und Jugendliche wollten sehen, wie das CAJ-Leer ihre Teestube eingerichtet hat. Die Teestube liegt im ersten Stockwerk und besteht aus zwei geschmackvoll eingerichteten Räumen, die wegen ihrer nicht übermäßigen Größe eine gewissen Behaglichkeit ausstrahlen. Es sind ständig 20 Teesorten auf Lager, es besteht absolutes Alkoholverbot."
Besondere Erinnerung hat Bernhard Horstmann an das Pfarrheim. Als zehnjähriger Junge hat er zusammen mit Josef Vissing - beide wohnten der Kirche am nächsten - morgens um sechs Uhr geläutet und während der Messe gedient. Anschließen gab es immer eine Erfrischung im Pfarrheim. Früher seien immer die Gruppenfotos bei der Erstkommunion auf den Eingangsstufen zum Pfarrheim gemacht worden, berichtet Agnes Arning.
Für Renate Höing bleiben Andenken an Näh- und Bastelkurse der Familienbildungsstätte im Gedächtnis. Inge Hebbe erinnert sich an das zuletzt genutzte Pastorat: "Bei unserer kirchlichen Trauung im Juli 1973 stand das Pastorat im Rohbau. Im Pfarrheim war circa 1985 auch das JRK-Leer untergebracht“, berichtet Christopher Kerkau. Leiter waren damals Dirk Telgmann, heute Feuerwehr Steinfurt, und Holger Dempter. Es war eine kleine Gruppe mit Guido Steiner, Anke Weist, Gerold Thiemann, Christopher Kerkau und vier weiteren Jugendlichen.
"Viele Jahre lang feierte der Kirchenchor Ende November sein Cäcilienfest mit einem gemeinsamen Frühstück im Pfarrheim", blickt Christiane Raub zurück. In aller Frühe, lang vor der Messe, wurde dafür der große Kaffeetopf in der Küche angestellt, Schnittchen aus selbstgebackenem Brot belegt und der Saal vorbereitet. Daneben gab es die vielen Aktivitäten der Kfd. Es waren Sekt- und Likörabende mit viel Spaß und guter Laune. Ein wenig wehmütig fügt Christiane Raub hinzu: "Ich werde das Pfarrheim sehr vermissen." Sie ist mit dieser Meinung nicht allein.